Segundo Manifiesto de Barcelona (La Renta Básica de los iguales), versión en alemán

José Iglesias Fernández


Die Bewegung für ein soziales Grundeinkommen in Spanien – „Renta Básica

Im November 1998 organisierten Asociación Renta Básica (AREBA), EcoConcern, die Stiftung für marxistische Forschung (FIM) und das “Kollektiv Zambra” ein Treffen zum Thema Grundeinkommen in Barcelona. Damals war das Konzept in Spanien praktisch unbekannt. Angesichts dessen war die Beteiligung von ungefähr 100 Personen aus fast allen Teilen des Landes aus etwa 20 Gruppen ein voller Erfolg. Die Teilneh-merInnen verabschiedeten fast einstimmig das „Manifest von Barcelona für das BürgerInnenrecht auf ein Grundeinkommen”.

Im September 2004 kam es zu einem zweiten Treffen dieser Art von Organisationen mit einem explizit linken Selbstverständnis. Verabschiedet wurde dort das „Zweite Manifest von Barcelona”.

Zweites Manifest von Barcelona für das BürgerInnenrechts auf ein Grundeinkommen

Seit dem Ersten Manifest sind schon fünf Jahre vergangen. In dieser Zeit haben die Aktivitäten zur Bekanntmachung der Idee eines Grundeinkommens ein breites Echo gefunden. Inzwischen gehört dessen Einführung zum grundlegenden Forderungskatalog vieler Organisationen und Kollektive; andere dagegen haben auch weiterhin nur ein bruchstückhaftes Wissen über dieses Konzept. Einige Parteien haben die Forderung nach einem garantierten Grundeinkommen sogar zu einem ihrer Wahlkampfslogans gemacht.

Die im Ersten Manifest ausgearbeitete Konzeption des Grundein-kommens hat auch in eher konventionellen politischen Kreisen weite Verbreitung gefunden. Sie beruht auf einer sehr konser-vativen Philosophie über die Gesellschaft, das heißt dass dabei sowohl das (importierte) Konzept als auch die (liberale) ethische Rechtfertigung, die jene Kreise benutzen, ganz und gar nicht mit dem Paradigma und der Idee von Gerechtigkeit, die unserem politischen Engagement zugrunde liegt, übereinstimmen.

Bestimmte Konzeptionen des Grundeinkommens sind unter vielen sozial orientieren Organisationen und Einrichtungen populär geworden, weil sie völlig deren karitativen Vorstellungen entsprechen und mit ihren politischen Grundeinstellungen und sozialen Praktiken in Einklang stehen. Eine der Ambivalenzen des Ersten Manifests bestand darin, dass die Versammlung den jeweiligen politischen Kollektiven und Organisationen die Freiheit ließ, ihrer Idee von Grundeinkommen einen Namen zu geben, der der eigenen Philosophie am ehesten entspricht. Herausgekommen sind dabei so widersprüchliche Bezeichungen wie “allgemeines Einkommen”, “bedingungsloses Einkommen”, “garantierte Grundsicherung”, “Sozialdividende”, “Sozialeinkommen”, “Soziallohn”, “Mindesteinkommen”, usw.

Aus unserem eigenen Denkansatz heraus müssen wir dringend eine Definition und eine Rechfertigung des sozialen Grundein-kommens finden, die wirklich mit unserer antikapitalistischen Position übereinstimmt. Mit anderen Worten: Wir sind nun an einen Reifepunkt angelangt, der von uns einen eigenständigen Diskurs verlangt, welcher es uns erlaubt, das Übernommene und Liberale vieler Konzepte des Grundeinkommens zu verlassen und es durch ein antikapitalistisches Interpretationsmodell zu ersetzen. Das Grundeinkommen muss zu einem Instrument sozialer Veränderung hin zu einer Gesellschaft gemäß unserer politischen unnd sozialen Vorstellungen und Utopien werden.

Glücklicherweise helfen uns die verschiedensten historischen Strömungen antikapitalistischer Philosophie und Praxis die Perversität dieses Systems zu erkennen und zu verurteilen. Sie reichen von den vielfältigen anarchistischen bis hin zu den sozialistischen und kommunistischen Tendenzen. Gleichzeitig bieten uns viele klassische und moderne DenkerInnen außergewöhnliche (und heute oft aktualisierte) Analysen der Natur sowie der Logik der kapitalistischen Akkumulation. Dieser intellektuelle Reichtum steht uns allen zur Verfügung.

Das “starke Modell” verteidigt die persönliche Autonomi

Wir mussten eine Klassifizierung der verschiedenen Interpreta-tionen des Grundeinkommens ausarbeiten, um einschätzen zu können, ob ein bestimmtes Modell antikapitalistisch ist oder uns vielmehr die Unterordnung unter das herrschende Gesellschafts-system vorschlägt. Heutzutage gibt es eine breite Spannweite von neu vorgeschlagenen Formen der Sozialhilfe, die fast alle auf Unterstützung der Familien beruhen und oftmals Gegenleistungen einfordern. Die Mehrzahl von ihnen zielt auf die in prekären sozialen Verhältnissen lebenden sozialen Gruppen und sieht Geldleistungen in einer Höhe vor, die die finanzielle Bedürftigkeit der Betroffenen festschreibt

Die zu beurteilenden Vorschläge haben wir in “starke” und “schwache” Modelle des Grundeinkommens eingeteilt. Die “starken” Modelle bieten eine Gewähr dafür, dass sie Werkzeuge zum Kampf gegen den Kapitalismus darstellen. Ihre Umsetzung zielt auf soziale Gerechtigkeit, weil es sich um Mechanismen der realen Einkommensumverteilung handelt. Aber gleichzeitig verstehen sich diese Modelle auch als antikapitalistisch, weil sie es erlauben, den Arbeitsmarkt zu umgehen, der eine der wesentlichen Säulen der Beherrschung und Ausbeutung der Bevölkerung darstellt und für das herrschende System unverzichtbar ist

Im Spanien hat sich ein hierarchisch und elitär strukturiertes Netzwerk von NGOs, sozialen Einrichtungen und politischen Instanzen herausgebildet, welches sich an rein sozialtechnischen und systemimmanenten Vorstellungen orientiert, wodurch der ursprüngliche Inhalt des Konzeptes Grundeinkommen ausgehöhlt wird. Deshalb bestehen wir mit Nachdruck darauf, das Grundeinkommen ausgehend von einer Mobilisierung der Betroffenen sowie der sozialen Basisgruppen einzufordern. Wir vertreten die Etablierung eines Grundeinkommens, das durch die BürgerInnenschaft und ihr bewusstes Engagement erreicht wird – und nicht aufgrund einer Entscheidung von oben.

Die wesentlichen strukturellen Eigenschaften und Kennzeichen des von uns angestrebten “starken” Modells des Grundeinkommens, das zu erreichen wir uns mit diesem Zweiten Manifest individuell als Einzelpersonen sowie kollektiv als Organisationen vorgenommen haben, sind:

Die Falle der “schwachen” Modelle des Grundeinkommens

Wir stellen fest, dass sich Vorschläge immer weiter ausbreiten, die sich an “schwachen” Modellen des Grundeinkommens orientieren. Einige von ihnen könnten bald auch real umgesetzt werden, wie es heute schon in der Autonomen Gemeinschaft des Baskenlandes der Fall ist. Viele Autonome Gemeinschaften (das entspricht den Bundesländern in der BRD, A.d.Ü.) tendieren zur Anwendung des baskischen Modells. Diese Maßnahme stellt eine Einkommensbeihilfe dar, die in vielen sozialen Notlagen vergeben wird und die in Euskadi den Namen “nicht-steuerpflichtige Arbeitslosenunterstützung” trägt.

Die Ausbreitung der “schwachen Modelle”, welche auch der immer schwammigeren und ungenaueren Verwendung des Konzepts des Grundeinkommens geschuldet ist, hat dazu geführt, dass wir unbedingt zwischen „dem Grundeinkommen“ im Singular – so wie wir das Konzept von Beginn an gebraucht haben – und „den Grundeinkommen“ im Plural zu unterscheiden haben, wobei sich letztere auf die aktuell vor allem diskutierten und geplanten Modelle beziehen. (Das entspricht in der BRD in etwa der Debatte um Grundeinkommen und Grundsicherung – Anm. d. Red.)

Wir müssen uns sehr klar sein darüber, für welches dieser Modelle wir uns entscheiden und von welchem Modell andere ausgehen, wenn sie sich, unter verschiedenen Namen, auf so etwas wie ein „Grundeinkommen“ beziehen. Um nicht in die Falle der Ungenauigkeit oder der ideologischen Verwirrung zu tappen sollten wir klar zwischen den Modellen unterscheiden, zwischen denjenigen, die auf eine reale soziale Gerechtigkeit abzielen und eine antikapitalistische Stoßrichtung besitzen, und denjenigen, die einen liberalen und rein karitativen Charakter haben.

Die Einführung von “schwachen” Modellen kann unserer Überzeugung nach nur als positiv erachtet werden, wenn dies einen Schritt hin zur Stärkung des “starken” Modells darstellt. Sie sollten einzig und allein akzeptiert werden, wenn sie die folgenden Minimalbedingungen erfüllen:

Von der Barbarei zur realen Gemeinschaft der menschliche Spezies

Wenn das “starke” Grundeinkommensmodell auch wesentlich für die Stärkung der persönlichen Autonomie in unserem Leben ist, so vergessen die hier unterzeichnenden Einzelpersonen und Kollektive doch nicht, dass eine antikapitalistische Grundeinstellung den notwendigen Bezugspunkt darstellt, an dem sich auch hier das Engagement für eine emanzipatorische soziale Transformation zu orientieren hat. Der Kapitalismus treibt den Egoismus in den Individuen an und gibt ihm einen immer größeren Anreiz. Er verhindert die Entwicklung der Menschen als soziale Wesen und zerstört die Bedingungen der Menschlichkeit. Er zwingt uns in einem Zustand der Barbarei zu verharren.

Die radikale soziale Transformation führt zur wirklichen Eman-zipation der menschlichen Spezies. Sie bedeutet, dass die Men-schen sich als soziale Wesen an der Gemeinschaft aller beteili-gen, um in einer neuen Gesellschaft zusammenzuleben, in der die Menschheit sich endlich als freie entfalten und festigen kann.

Bis dahin werden wir uns weiterhin in bestimmten zeitlichen Abständen treffen und austauschen, um unsere Kämpfe einzuschätzen und auf den neusten Stand zu bringen, ohne Parteiparolen, ohne Hymnen, ohne Riten, ohne feste Strukturen, ohne Hierarchien, ohne Macht … aber im Vertrauen darauf, dass wir eines Tagen siegen werden.

Unterzeichnende Gruppen:

Zweites Internationales Treffen für das BürgerInnenrecht auf ein Grundeinkommen,17. bis 19. September 2004
Museum für Zeitgenössische Kunst Barcelona (MACBA)

Weitere Literatur zu den verschiedenen Modellen des Grundeinkommens in spanischer Sprache:


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